Eine kurze Geschichte des Bremer Wahlrechts seit 2006
Bremer Wahlrecht bis 2007: Eine Stimme - wenig Einfluss
Im Zweistädtestaat Bremen hatten die Bürgerinnen und Bürger bis zur Wahl 2007 nur wenig Einfluss auf die Zusammensetzung ihres Parlaments und damit auf die Politik ihres Landes. Alle vier Jahre finden Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft (Landtagswahl) und zur Stadtbürgerschaft (Kommunalwahl) sowie zu den Stadtteilbeiräten im Bremer Stadtgebiet und der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven statt. Hierbei galt im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern ein reines Verhältniswahlrecht mit geschlossenen Listen. Bremer Wählerinnen und Wähler hatten nur eine Stimme, mit der sie die Liste einer Partei wählen konnten. Mit welchen Kandidat/innen die Liste besetzt wird und in welcher Reihenfolge diese auf der Liste verteilt werden, wurde von der Partei bestimmt. Änderungen der Reihenfolge auf den Parteilisten durch die Wähler/innen waren nicht möglich. Das haben wir 2006 mit dem Volksbegehren "Mehr Demokratie beim Wählen" geändert!
Bremer Wahlrecht seit 2011: Fünf Stimmen - mehr Einfluss (durchgesetzt per Volksbegehren)
Die Wähler/innen haben seit der Wahl 2011 nicht mehr nur eine, sondern fünf Stimmen. Diese können auf einen oder mehrere Kandidat/innen derselben Partei gehäufelt (kumuliert) oder auch auf Kandidat/innen verschiedener Parteien verteilt (panaschiert) werden. Wer nur eine Partei wählen will, kann dies mit den Listenstimmen tun. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit Koalitionspräferenzen auszudrücken, indem man zum Beispiel einer Parteiliste zwei Stimmen und einer anderen Liste drei Stimmen gibt. Es ist auch möglich, Stimmen sowohl an Parteien und Kandidat/innen zu vergeben.
Die Wähler/innen sollten mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Parlamente bekommen. Auch Kandidat/innen von hinteren Listenplätzen sollten die Chance haben, gewählt zu werden. Das sollte die Unabhängigkeit der Kandidat/innen erhöhen und für mehr Bürgernähe sorgen.
Um einen möglichst hohen Einfluss der Personenstimmen zu gewährleisten, sah der Gesetzentwurf bewusst vor, dass entsprechend des Anteils der Personen- und Listenstimmen, die Sitze zunächst nach Listenreihenfolge und dann nach Personenstimmenreihenfolge vergeben wurden.
Mit dem Volksbegehren 2006 wurde für die Beiratswahlen in der Stadtgemeinde Bremen, als auch für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven die Wahl von Einzelkandidat/innen zugelassen. Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven wurde zudem die 5 %-Hürde abgeschafft.
Bremer Wahlrecht seit 2018 - Parteien mindern Einfluss der Bürger/innen
Das Wahlrecht bleibt in seiner Grundstruktur unverändert. Es können weiterhin fünf Stimmen vergeben werden, auch Personenstimmen sind möglich. Geändert wurde das Zuteilungsverfahren der Mandate. So sollen zuerst die Personenmandate und dann die Listenmandate vergeben werden. Was sich auf den ersten Blick einleuchtend anhört, verringert die Chancen von Kandidat/innen auf hinteren Plätzen. Denn in der Praxis werden die vorderen Listenplätze häufig durch die Personenstimmen bestätigt. Wenn die Besetzung im zweiten Schritt nach Listenreihenfolge weitergeht, bewirken die Personenstimmen oft gar keine Änderung.
Die Chance, dass die Zusammensetzung der Fraktionen von der Reihenfolge der Parteilisten abweicht, sinkt.
Bremer Wahlrecht ab 2019?
Mit der oben beschriebenen Änderung sind wir nicht einverstanden. Deshalb starten wir ein Volksbegehren, um einen besseren Vorschlag durchzusetzen. Sollte das Volksbegehren erfolgreich sein, könnten die Wähler/innen 2019 selbst über das Wahlrecht entscheiden. Bei der übernächsten Wahl (voraussichtlich 2023) könnte es erstmalig angewendet werden.
Mehr Demokratie schlägt außerdem die Einführung einer Heilungsregel sowie einer "Proteststimme" vor.